ETF-Liquidität in der Krise: Was passiert, wenn es an der Börse wieder kracht?

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ETFs (Exchange Traded Funds) gelten als liquide, transparent und kostengünstig – und erfreuen sich deshalb bei Privatanlegern wie bei Institutionellen großer Beliebtheit. Doch was passiert mit dieser scheinbaren Liquidität, wenn die Märkte unter Stress geraten? In Phasen starker Volatilität, wie etwa in der Corona-Krise 2020 oder während der Finanzkrise 2008, zeigt sich: Die Liquidität von ETFs ist keine Selbstverständlichkeit. In diesem Artikel klären wir, wie ETF-Liquidität funktioniert, was im Krisenfall passieren kann und wie Anleger sich schützen können.


Wie funktioniert die Liquidität eines ETFs?

Ein ETF besitzt zwei Liquiditätsebenen:

  1. Primärmarkt: Hier kaufen autorisierte Teilnehmer (APs) direkt vom ETF-Anbieter große Anteile (Creation Units) oder geben sie zurück. Dieser Mechanismus ermöglicht die Schaffung oder Vernichtung von ETF-Anteilen – je nach Nachfrage.
  2. Sekundärmarkt: Hier handeln Anleger ETF-Anteile an der Börse wie Aktien. Die Liquidität hängt vom Handelsvolumen und der Marktbreite ab. Market Maker sorgen durch Angebot und Nachfrage für enge Spreads.

Die Gesamtliquidität eines ETFs hängt somit sowohl von der Liquidität seiner Basiswerte als auch von der Aktivität der Market Maker ab.


Was passiert in einer Marktkrise?

In Krisenzeiten kommt es häufig zu:

  • Sinkender Liquidität der Basiswerte: Aktien oder Anleihen im Fonds können schwer handelbar werden.
  • Spread-Ausweitung: Geld-Brief-Spannen steigen, da Market Maker höhere Risiken einpreisen.
  • Tracking Errors: Der ETF-Preis kann zeitweise stark vom Nettoinventarwert (NAV) abweichen.
  • Abkopplung von Indexwerten: Besonders bei illiquiden Märkten (z. B. Unternehmensanleihen) handeln ETFs teilweise effizienter als die Underlyings selbst – was zu scheinbar paradoxen Preisen führt.

Beispiel: Die Corona-Krise 2020

Im März 2020 kam es zu extremen Marktverwerfungen. Unternehmensanleihen-ETFs wie der iShares iBoxx $ Investment Grade Corporate Bond ETF (LQD) handelten mit signifikanten Abschlägen zum NAV. Der ETF-Markt war liquider als der Anleihemarkt selbst, da Anleger in ETFs verkauften, aber die zugrunde liegenden Bonds nicht so schnell umgeschlagen werden konnten.

Diese „Preisdiskrepanz“ war für viele ein Schock – aber auch ein Beweis, dass ETFs in schwierigen Märkten Preissignale liefern können.


Vorteile und Schwächen von ETFs in der Krise

Vorteile:

  • Sekundärmarktliquidität: Bietet oft bessere Handelbarkeit als der zugrunde liegende Markt.
  • Transparenz: ETF-Preise reflektieren Marktstimmungen in Echtzeit.
  • Flexibilität: Intraday-Handel erlaubt schnelle Anpassung.

Schwächen:

  • Illiquidität der Basiswerte: Kann zu Abweichungen vom NAV führen.
  • Verzerrte Spreads: Besonders bei geringen Handelsvolumina.
  • Erhöhte Volatilität: ETF-Preise können überreagieren.
  • Systemische Risiken: Wenn viele Anleger gleichzeitig verkaufen, geraten Market Maker und APs unter Druck.

Wie Anleger sich schützen können

  1. Handelszeit beachten: ETFs sollten zu Zeiten hoher Marktliquidität gehandelt werden (z. B. nicht direkt zur Eröffnung oder kurz vor Handelsschluss).
  2. Limit-Orders statt Market-Orders: Vermeidet böse Überraschungen durch plötzliche Spread-Ausweitungen.
  3. Spreads beobachten: Bei niedriger Liquidität lieber abwarten oder kleinere Stückelungen handeln.
  4. Produktqualität prüfen: Physisch replizierende, breit diversifizierte ETFs mit hohem Volumen sind tendenziell stabiler.
  5. Langfristiger Fokus: Panikverkäufe in der Krise vermeiden – Liquiditätsprämien normalisieren sich oft rasch wieder.

Fazit

ETF-Liquidität ist im Normalfall hoch – doch in einer Marktkrise kann sie schnell unter Druck geraten. Anleger sollten verstehen, dass Liquidität zweischichtig ist und in Stressphasen durch Marktstruktur und Handelsverhalten beeinflusst wird. Wer das Zusammenspiel von Sekundär- und Primärmarkt kennt, kann souveräner durch Krisenzeiten navigieren. ETF-Investoren sollten sich nicht von kurzfristigen Preisabweichungen irritieren lassen, sondern auf die langfristige Strategie setzen – und dabei klug mit Orderarten und Handelszeitpunkten umgehen.

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