Magisches Sechseck: Ziele der Wirtschaftspolitik verständlich erklärt

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Das Magische Sechseck der Wirtschaftspolitik ist der wirtschaftspolitische Leitgedanke der Bundesrepublik Deutschland. Damit wird wirtschaftliches Handeln und die Entwicklung an den Märkten gelenkt. Doch zwischen den sechs wirtschaftspolitischen Zielen bestehen auch diverse Zielkonflikte, die ein gleichzeitiges Erreichen der Ziele zum Teil unmöglich machen.

Magisches Viereck als Ausgangspunkt

Magisches Viereck

Das Magische Viereck ist der Ausgangspunkt für das magische Sechseck. Es wurde 1967 im Stabilitätsgesetz definiert und beinhaltet die vier quantitativen Ziele

  • Stabiles Preisniveau
  • Angemessenes Wirtschaftswachstum
  • Außenwirtschaftliches Gleichgewicht
  • Hoher Beschäftigungsgrad.

Stabilitätsgesetz ist die Kurzbezeichnung für das 1967 in Kraft getretene Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft. Nach diesem haben Bund und Länder bei ihrer Wirtschaftspolitik die Bedingungen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu berücksichtigen.

Es stellt die rechtliche Grundlage dar für den Einsatz einer an den Lehren des Keysianismus orientierten Fiskalpolitik und das Konzept der Globalsteuerung.

Dabei erinnert das Magische Viereck der wirtschaftspolitischen Ziele an das Magische Dreieck der Geldanlage (Rendite, Sicherheit, Liquidität), weil auch dort nicht alle Ziele gleichzeitig erreichbar sind.

Im Folgenden werden die verschiedenen Ziele des Magischen Vierecks kurz und bündig erläutert.

Stabiles Preisniveau

Wirtschaftspolitiker und Finanz-Experten sprechen in diesem Zusammenhang auch gerne von der Geldwertstabilität. Eine große Rolle spielen dabei die Gewährleistung eines freien Preisbildungsmechanismus und die daraus resultierende gesunde (marktorientierte) Preisentwicklung.

Eine wichtige Bedeutung hat in diesem Zusammenhang der Warenkorb. Darunter kann man sich eine repräsentative Anzahl an Gütern und Dienstleistungen unterschiedlicher Art vorstellen, die zur Berechnung der Inflationsrate bzw. des Preisindexes herangezogen werden. Dabei wird ein solcher Warenkorb stets für einen bestimmten, festen Zeitraum erstellt. In regelmäßigen Abständen kann dann immer wieder aktuell ermittelt werden, welche Güter bzw. Dienstleistungen in welchem Ausmaß billiger oder teurer geworden sind.

Die Inflationsrate ist der Indikator dieses wirtschaftspolitischen Ziels. Sie ist laut Europäischer Zentralbank (EZB) gegeben, wenn sie bei ca. zwei Prozent. p. a. liegt.

Ein stabiles Preisniveaus bietet u. a. folgende Vorteile:

  • Es ist eine Grundvoraussetzung für nachhaltiges Wirtschaftswachstum.
  • Es sorgt für wirtschaftlichen Wohlstand und seine Mehrung.
  • Preisniveaustabilität sichert zudem den sozialen Frieden
  • und ist zugleich ein wesentlicher Faktor für eine funktionierende Marktwirtschaft.

Stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum

Kaum weniger wichtig sind die Ziele im Hinblick auf das Wirtschaftswachstum. Hierbei geht es nicht nur um ein stetiges Wachstum, vielmehr wird dabei auch ein angemessenes Wachstum als Ziel deklariert. Hierzu muss man Folgendes wissen: Es wird immer dann von einem stetigen und angemessenen Wachstum gesprochen, wenn konjunkturelle Schwankungen in Grenzen gehalten oder sogar vollständig vermieden werden können. Konjunkturelle Schwankungen betreffen nämlich immer entweder die Beschäftigung oder das Wirtschaftswachstum.

Um konjunkturelle Schwankungen aber tatsächlich auszuschließen oder zumindest in Grenzen zu halten, muss der komplette Konjunktur-Zyklus umfassend kontrolliert werden. Dabei sollte es hinsichtlich des Wirtschaftswachstums keine ruckartigen Veränderungen geben. Vielmehr ist es das wirtschaftspolitische Ziel, dass die Wirtschaft eher langsam, aber kontinuierlich wächst. Dadurch können zum Beispiel in schlechten Wirtschaftsphasen Massenentlassungen oder ähnlich einschneidende Reaktionen durch die Arbeitgeber verhindert werden.

Als Indikator für dieses wirtschaftspolitische Ziel dient das Bruttoinlandsprodukt (kurz: BIP). An diesem BIP kann man ablesen, wie stark die Wirtschaft eines Staates pro Jahr tatsächlich wächst. Das Bruttoinlandsprodukt summiert dabei die Werte aller Güter und auch Dienstleistungen, die innerhalb eines Jahres erstellt wurden.

In Deutschland wird übrigens ein Wachstum des Bruttoinlandsproduktes von vier Prozent als Idealzustand definiert.

Außenwirtschaftliches Gleichgewicht

Im Hinblick auf die Außenwirtschaftstheorie setzt dieses Staatsziel den Ausgleich der Leistungsbilanz voraus. Dieser Punkt ist detailliert im Stabilitätsgesetz (§ 1 StabG) formuliert. Die vorrangige wirtschaftspolitische Aufgabe besteht dabei darin, die wirtschaftliche Entwicklung nicht durch schädliche Außenhandelsbeziehungen zu beeinträchtigen bzw. zu belasten. Ablesen kann man die jeweilige Entwicklung zum Beispiel an der Handelsbilanz. Wirtschaftspolitische Maßnahmen werden diesbezüglich immer dann erforderlich, wenn beim importierenden Staat ein Handelsbilanzdefizit vorliegt.

Hoher Beschäftigungsgrad

Eine Vollbeschäftigung ist erreicht, wenn die Arbeitslosenquote unter drei Prozent liegt. Dieser Wert wurde gewählt, da es selbst unter optimalen wirtschaftlichen Voraussetzungen und Bedingungen nicht zu vermeiden ist, dass ein gewisser Prozentsatz der erwerbsfähigen Menschen in einem Land arbeitslos ist.

Beispiele bzw. Gründe hierfür sind u. a. in der saisonalen Arbeitslosigkeit zu finden. Gerade Handwerker wie Maurer oder Zimmerer müssen sich nämlich häufig im Winter arbeitslos melden, während Sie in den anderen Monaten in einem festen Beschäftigungsverhältnis stehen.

Zudem kommt es regelmäßig auch zu friktioneller Arbeitslosigkeit. Hierbei handelt es sich um Sucharbeitslosigkeit, die durch Arbeitsplatzwechsel entsteht.

Hinzu kommt das Problem der freiwilligen Arbeitslosigkeit. Denn in jedem Land gibt es trotz einer evtl. optimalen wirtschaftlichen Basis eine Anzahl von Menschen, die keine Motivation aufbringen, um zu arbeiten.

Gründe, weshalb die 3-Prozent-Grenze aus politischer Sicht als Vollbeschäftigung gilt:

  • Saisonale Arbeitslosigkeit lässt sich nicht verhindern.
  • Ein gewisser Prozentsatz an erwerbsfähigen Menschen bleibt aufgrund fehlender Eigenmotivation freiwillig arbeitslos.
  • Die friktionelle Arbeitslosigkeit ist mit einem vergleichsweise kleinen Prozentsatz in der Arbeitslosenstatistik enthalten.

Der Staat verfolgt stets das wirtschaftspolitische Ziel, die Vollbeschäftigung bzw. eine möglichst geringe Arbeitslosenquote zu erreichen. Zum einen fallen dann weniger Unterstützungszahlungen wie beispielsweise Arbeitslosengeld I und II an, zum anderen kann der Staat durch Sozialversicherungsbeiträge und Steuern dann mehr Geld einnehmen.

Definition des Magischen Sechseck

Beim Magischen Sechseck werden die vier oben genannten quantitativen wirtschaftspolitischen Ziele

  • Stabiles Preisniveau
  • Angemessenes Wirtschaftswachstum
  • Außenwirtschaftliches Gleichgewicht
  • Hoher Beschäftigungsgrad

um zwei qualitative Ziele erweitert, nämlich

  • Erhaltung einer lebenswerten Umwelt
  • sozialer Ausgleich durch gerechte Einkommens- und Vermögensverteilung.

Magisches Sechseck

Erhaltung einer lebenswerten Umwelt

1994 wurde die Erhaltung einer lebenswerten Umwelt als Ziel im Grundgesetz verankert. Kein Wunder also, dass auch das einstige Magische Viereck um dieses Ziel erweitert wurde und darüber hinaus um das Ziel eines sozialen Ausgleichs durch eine gerechte Einkommens- und Vermögensverteilung.

So gesehen stellt die Umwelt in gewisser Weise durchaus eine Grenze des Wachstums unserer Wirtschaft dar, sofern verantwortlich mit Umwelt und Ressourcen umgegangen wird.

Eine Kernfrage bleibt aber bestehen: Was soll dir eine immer weiter steigende Produktion nutzen, wenn du aufgrund der Umweltbelastungen nicht mehr gut und sicher in einer Region leben kannst? Konflikte ergeben sich zudem aus dem Umstand, dass Umweltschutzmaßnahmen und Umweltschutzauflagen für Unternehmen Geld kosten, was anderweitige Investitionen einschränkt oder sogar verhindert. Hier sind also Zielkonflikte innerhalb des Magischen Sechsecks vorprogrammiert.

Sozialer Ausgleich durch gerechte Einkommens- und Vermögensverteilung

Dabei geht es im Kern darum, dass alle wirtschaftlichen Werte gerechter auf Unternehmer bzw. Vermögensbesitzer, Arbeitnehmer und Selbstständige aufgeteilt werden. Als Indikator respektive als Maßstab dient hier die Pro-Kopf-Lohnquote.

Eine gerechte Einkommensverteilung ist wichtig für den sozialen Frieden in einem Land. Wenn nur ein geringer Prozentsatz der Bevölkerung von hohen Einkünften profitiert, können im schlimmsten Fall Unruhen die Folge sein.

Das häufigste Instrument zur Darstellung der Einkommensverteilung ist der Gini-Koeffizient. Der Wert 0 bezeichnet absolute Gleichverteilung (alle Personen besitzen gleich viel), der Wert 1 absolute Ungleichverteilung (eine Person besitzt alles, alle anderen nichts).

Der deutsche Staat hat dabei die Möglichkeit, über Sozialtransfers und Einkommensbesteuerung in die Einkommensverteilung einzugreifen. Hierbei ergeben sich automatisch Konflikte (oder genauer: Zielkonflikte) in Bezug auf andere Staatsziele.

Denn eine gerechte Einkommensverteilung ist in einem Marktumfeld, das auf Angebot und Nachfrage sowie auf Gewinnmaximierung und Konkurrenz- bzw. Wettbewerbsverhalten ausgerichtet ist, nicht umsetzbar. Zielkonflikte sind also vorprogrammiert. Wenn der Staat direkt in Lohnverhandlungen eingreifen könnte, wäre eine gerechte Einkommensverteilung bis zu einem gewissen Grad zwar möglich. Aber ein solcher Eingriff ist dem deutschen Staat durch die Tarifautonomie vollständig verwehrt. Was bleibt, sind Maßnahmen wie u. a. die Einführung des Mindestlohns.

Der Unterschied zwischen quantitativen und qualitativen Zielen

Quantitative Ziele

Quantitative Ziele können nach Inhalt, Ausmaß und Zeitbezug festgelegt werden. Beispielsweise möchte der Arbeitsminister bis Endes diesen Jahres die Arbeitslosigkeit um 500.000 Menschen ohne Beschäftigung senken.

Qualitative Ziele

Bei einem qualitativen Ziel wie der Erhaltung der Umwelt ist dagegen eine Zielformulierung wesentlich schwieriger, weil die Meinung darüber, was eine erhaltenswerte Umwelt ist, weit auseinandergehen können. Dazu haben z. B. Greenpeace und ein Kohlekraftwerksbetreiber sicher sehr konträre Meinungen.

Beziehungen zwischen den Zielen

Zwischen den Zielen des Magischen Sechsecks gibt es vielfältig unterschiedliche Zielbeziehungen. Dabei gibt es Ziele, die miteinander harmonieren und andere, die in einem Konflikt zueinander stehen. Alle sechs Ziele gleichzeitig zu erreichen, ist jedoch aufgrund der bestehenden Zielkonflikte unmöglich.

Zielbeziehungen

Zielharmonie

Bei den wirtschaftspolitischen Zielen des Magischen Sechsecks gibt es auch Ziele, deren Verfolgung und Erreichung in Harmonie miteinander stehen. Zum Beispiel geht Wirtschaftswachstum in der Regel mit einer Zunahme an Beschäftigung einher.

Ebenso unterstützt eine stabiles Preisniveau das Wachstum der Wirtschaft.

Zielkonflikte

Dabei stehen insbesondere wirtschaftspolitische Ziele vs. gesellschaftspolitische Ziele.

Besonders schwierig ist das Ziel einer gerechten Einkommens- und Vermögensverteilung in einer Marktwirtschaft zu erreichen. So kann der Staat aufgrund der geltenden Tarifautonomie nicht eingreifen, um „gerechte“ Löhne zu verordnen; das ist allein Sache der Tarifpartner.

Auch die freie Preisbildung durch Angebot und Nachfrage sowie das Ziel der Gewinnmaximierung stehen in gewisser Weise dem Ziel einer gerechten Einkommens- und Vermögensverteilung entgegen.

Die Erhaltung einer lebenswerten Umwelt ist ein Ziel, das dem wirtschaftlichen Wachstum entgegensteht. So werden beispielsweise für die Holzwirtschaft nutzbare Wälder nicht ohne Weiteres abgeholzt.

Zielindifferenz

Dies bedeutet, dass die Verfolgung und Erreichung des einen Ziels keinen Einfluß auf ein anderes Ziel hat. Indifferente Zielbeziehungen sind in der Realität aufgrund bestehender Interdependenzen (Wechselseitige Abhängigkeiten) selten anzutreffen.

Zielantimonie

Die Verfolgung eines Ziels negiert die Erreichung eines oder mehrerer anderer Ziele, z.B. Autarkie und Wahrnehmung der Vorteile aus internationaler Arbeitsteilung.

Deshalb ist das Sechseck der Wirtschaftspolitik magisch

Da sich die gleichzeitige Erfüllung aller sechs Ziele weitestgehend ausschließt, kann deshalb von einem „magischen“ Sechseck der Wirtschaftspolitik gesprochen werden.

Warum ist das so?

Das liegt vor allem an den zum Teil konträren Zielbeziehungen dieser sechs Ziele untereinander, wie wir weiter oben in diesem Artikel gesehen haben.

Fazit: Das Magische Sechseck als Leitgedanke der Wirtschaftspolitik

Leitgedanke

Die Ziele des Magischen Sechsecks können aufgrund von Zielkonflikten nicht alle gleichzeitig erreicht werden. Deshalb heißt es Magisches Sechseck.

Es ist vielmehr als Leitgedanke zu verstehen, der der Regierung als Grundlage für die Wirtschaftspolitik dienen soll.

Übertragen auf die Geldanlage sprechen wir vom Magischen Dreieck der Geldanlage, weil sich die drei Ziele Sicherheit, Rendite und Liquidität ebenfalls ausschließen. Es gibt keine Geldanlage, die gleichzeitig sicher und liquide ist und eine hohe Rendite aufweist.

Da es aktuell keine Zinsen mehr auf festverzinsliche Wertpapiere gibt, bieten einzig Aktien-(ETFs) die Möglichkeit einer befriedigenden Rendite. Im Folgenden findest du einen Sparplan Vergleich, der dich bei der Wahl des richtigen Brokers unterstützt.

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