Wie du am besten deine Risikobereitschaft herausfindest

Lesedauer 6 Minuten

Vielen Privatanlegern fällt es schwer zu entscheiden, wie sie ihr Geld investieren möchten. Sie wissen oft nicht genau, wieviel Risiko sie bereit sind einzugehen. Eine Reihe an Fragen sind dazu vorab zu klären. Ziel ist herauszufinden, welche Produkte sich letztlich am besten genau für dich eignen.

Risikobereitschaft als Ausgangspunkt

Risikobereitschaft

Vor jeder Anlageentscheidung solltest du dir bewusst machen, welche finanziellen Risiken du in deiner persönlichen Situation eingehen willst.

Dabei drückt die Risikobereitschaft die Bereitschaft des Anlegers aus, mit den finanziellen Risiken einer bestimmten Geldanlage einverstanden zu sein.

So individuell du als Anleger auch ist – hinsichtlich der Risikobereitschaft lassen sich zumindest drei Gruppen unterscheiden:

konservative, ausgewogene und offensive Anleger.

Steht die Sicherheit der Geldanlage bei dir im Vordergrund – willst du also nur geringe oder keine finanziellen Risiken eingehen, zum Beispiel aufgrund von Kursschwankungen – so bist du ein konservativer Anleger.

Investoren, denen sowohl Sicherheit als auch Rendite wichtig sind und die ein ausgewogenes Verhältnis zwischen beiden anstreben, gehören zum ausgewogenen Anlegertypus.

Bist du in erster Linie darauf bedacht, mit deiner Geldanlage eine möglichst hohe Rendite zu erzielen, verkörperst du den offensiven Typus.

Oft wird die Risikobereitschaft eines Privatanlegers davon beeinflusst, dass er eine bestimmte Rendite anstrebt.

Um diese zu erzielen, zieht er gegebenenfalls Finanzprodukte in Betracht, bei denen das investierte Geld nicht so sicher ist.

Für den Investor kann es zur Entscheidung hilfreich sein, die möglichen Verluste, die mit der Geldanlage einhergehen, in Form von Prozentzahlen zu konkretisieren.

Dadurch kannst du herausfinden, in welchem Rahmen du – losgelöst vom Renditeziel – bereit ist, finanzielle Risiken zu tragen.

Dazu muss du dich fragen, wie viel Prozent des investierten Kapitals du bereit bist, aufs Spiel zu setzen.

Ob du eher ein vorsichtiger, ein renditeorientierter oder ein ausgewogener Spartyp bist, kannst du u. a. leicht mit einem Test in dem eBook „Wohin mit dem Geld? Spartipps im Überblick“ herausfinden.

Kriterien der Geldanlage und Risikotragekapazität

Bei der Geldanlage gibt es drei Kriterien, die sich teilweise gegenseitig ausschließen:

  • Sicherheit,
  • Rendite und
  • Liquidität.

Da Risiko und Rendite sich gegenseitig bedingen, kann eine Geldanlage nicht gleichzeitig absolut sicher sein und eine hohe Rendite bringen.

Faustregel: Je höher die Rendite eines Finanzprodukts ist, desto höher sind die finanziellen Risiken, die mit der Geldanlage einhergehen.

Umgekehrt gilt genauso, dass sich die finanziellen Risiken mit der Reduzierung der Rendite verringern.

Für eine hohe Rendite musst du bereit sein, ein gewisses Risiko einzugehen.

Rendite ist ohne Risiko nicht zu haben.

Risiko ist sozusagen der Preis für Rendite.

Mit anderen Worten: Es kommt auf deine Risikotragekapazität an.

Diese ist ein Maß dafür, welche Preisschwankungen und welchen Wertverlust deiner Anlagen du ertragen kannst, bevor du dein Verhalten änderst.

Sie lässt sich durch folgende drei Punkte beschreiben:

  • deine Fähigkeit, Risiko zu tragen,
  • deine emotionale Bereitschaft, Risiko zu tragen und
  • die Notwendigkeit, Risiko zu tragen.

Die Fähigkeit, Risiko zu tragen, wird unter anderem von der Höhe deines Einkommens und seiner Stabilität sowie vom Anlagehorizont und deinem Liquiditätsbedarf bestimmt.

Über wieviel Kapital du bereits verfügst, spielt auch eine Rolle.

Die emotionale Bereitschaft, Risiko zu tragen bedeutet, verlustbedingten Stress aushalten zu können.

Das hat auch viel mit Investmentwissen und Börsenerfahrung  zu tun.

Zum Beispiel zu wissen, dass sich die Börsen bisher noch von jedem Crash wieder erholt haben.

Und die Notwendigkeit, Risiko zu tragen, ergibt sich zum einen aus den Sparzielen – welche Summen möchtest du ansparen? – und der aktuellen Niedrigzinsphase.

Diese legt bestimmte Anlagen wie zum Beispiel Aktien nahe, da zurzeit mit absolut sicheren Geldanlagen wie Sparbuch oder Tagesgeld keine nennenswerten Renditen zu erzielen sind.

Auch wer hohe Sparziele hat, kommt nicht daran vorbei, bei der Geldanlage ein gewisses Risiko einzugehen.

Ohne dieses ist Rendite derzeit nicht erzielbar.

Welches Ziel verfolgst du mit deiner Anlage?

RIsikobereitschaft: Ziele festlegen

Privatanleger sollten sich auch fragen, welches Ziel sie mit ihrer angestrebten Anlage verfolgen.

Die Antwort allein, dass verfügbares Geld in Finanzprodukte investiert werden soll, reicht hier nicht aus.

Vielmehr sollten Anleger den Zweck bestimmen, den sie mit der Anlage verfolgen.

Soll der investierte Betrag später der privaten Altersvorsorge dienen?

Oder dient die Geldanlage dem Vermögensaufbau, gegebenenfalls als Vorstufe zu einem späteren Immobilienkauf?

Diese Vermögensziele werden häufig von Anlegern mit einer konservativen oder ausgewogenen Risikobereitschaft benannt.

Oder sollen mit der Investition Marktgegebenheiten ausgenutzt werden oder mit dem investierten Betrag anderweitig spekuliert werden?

Solche Anlageziele sind von Kunden mit einer hohen Risikobereitschaft zu erwarten.

Die geplante Dauer der Investition

Eine wichtige Frage ist auch, wie lange du bereit sind, auf die finanziellen Mittel zu verzichten, die du investieren willst.

Bis zu fünf Jahre?

Fünf bis zehn Jahre?

Über zehn Jahre?

Daneben ist zu entscheiden, ob die Geldanlage unabhängig von der geplanten Anlagedauer ständig zur Verfügung stehen soll.

Willst du evtl. im Notfall auf den Betrag zurückgreifen können, indem du das Finanzprodukt veräußerst – auch wenn dies mit einer finanziellen Einbuße verbunden wäre?

Deine Erfahrungen und Kenntnisse

Als Anleger solltest du dir genau vor Augen führen, welche Erfahrungen und Kenntnisse du bei den einzelnen Finanzprodukten wie Aktien, Fonds etc. bereits hast.

Verstehst du alle Merkmale des ausgewählten Produkts?

Oder gibt es zu einzelnen Aspekten noch Fragen, etwa zu den Kosten?

Investoren sollten diese Fragen unbedingt klären und gegebenenfalls Rat einholen, etwa von einem Honorarberater.

Nimmt ein Privatanleger eine Beratung in Anspruch, erhält er zu jeder Anlageempfehlung ein Informationsblatt mit den wesentlichen Eigenschaften des Produkts (Produktinformationsblatt).

Wenn darin Begriffe auftauchen, die du nicht kennst, solltest du sie dir auf jedem Fall vom Berater erklären lassen.

Welche Produkte sind für dich geeignet?

Privatanleger sollten stets sicherstellen, dass sie ein Finanzprodukt auswählen, das gut zu ihnen passt.

Generell sind dabei die oben genannten Kriterien wie Anlageziel, Anlagedauer und Risikobereitschaft näher zu betrachten.

Für Anleger, die die Frage nach der Risikobereitschaft restriktiv beantwortet haben, bieten sich zum Beispiel festverzinsliche Wertpapiere wie Staatsanleihen oder Emittenten mit guter Bonität an, die allerdings meist nur eine äußerst geringe Rendite bringen.

Umgekehrt ist in der Regel eine geschlossene Beteiligung mit hoher Mindestbeteiligung und langer Laufzeit ungeeignet, wenn Investoren nur einen kleinen Betrag anlegen und über diesen stets verfügen wollen.

Auch die Banken bzw. Berater sind hier in der Pflicht:

Sie dürfen ihren Kunden nur Produkte empfehlen oder verkaufen, die zu ihnen passen.

Um festzustellen, welche Produkte für welche Anlegertypen grundsätzlich geeignet sind, beurteilen Banken das Risiko ihrer Produkte anhand der Bonität der Emittenten, ihrer Laufzeiten, Branchen, Währungen, Regionen und Funktionsweise etc.

Auf dieser Grundlage ordnen sie die Produkte den einzelnen Anlegertypen mit ihrer jeweiligen Risikobereitschaft zu.

Die Bezeichnung dieser Kundengruppen variiert dabei von Bank zu Bank.

Eine gängige Unterteilung der verschiedenen Risikoklassen lautet:

Risikoklasse 1 ist sicherheitsorientiert

Infrage kommen beispielsweise einlagengesicherte Anlagen wie Tages-, Termin-, Festgeld, Sparbuch, -brief, -pläne, Bausparverträge oder Pfandbriefe und europäische Geldmarktfonds.

Risikoklasse 2 ist konservativ

Hierzu passen festverzinsliche Wertpapiere, Anleihen mit guter Bonität, Rentenfonds Europa und geldmarktnahe Fonds

Risikoklasse 3 ist ertragsorientiert

Produkte wie beispielsweise Aktien, Aktienfonds mit europäischen Standardwerten, internationale Renten-, Aktien- und Mischfonds kommen hier in Betracht

Risikoklasse 4 ist spekulativ

Aktien und Aktienfonds mit europäischen und außereuropäischen Standardwerten, Zertifikate, Währungsanleihen mit mittlerer Bonität

Risikoklasse 5 ist sehr spekulativ

Hochspekulative Anleihen, ausländische Aktien-Nebenwerte, Optionsscheine, Futures, Optionen.

Produkte der Risikoklassen 5 eignen sich nur für extrem Risikofreudige, die auch den vollständigen Verlust des eingesetzten Kapitals verkraften können.

Dabei stehen bei der Produktauswahl beispielsweise folgende Fragen im Vordergrund:

  • Wie risikobereit bin ich?
  • Kann ich die finanziellen Risiken tragen?
  • Welches Ziel verfolge ich mit der Anlage?
  • Wie lange möchte ich Geld investieren?
  • Reichen meine Erfahrungen und Kenntnisse?
  • Passt das Produkt zu mir und zu meinen Wünschen?
  • Gibt es Produkte, die ich nur kaufen sollte, wenn ich mit ihnen bereits Erfahrung gesammelt habe?

Anlageberatung macht Sinn

Vor diesem Hintergrund macht eine Anlageberatung Sinn, vor allem wenn du in Geldangelegenheiten eher ein Laie bist.

Viele Wertpapierdienstleistungsunternehmen bieten eine Anlageberatung an.

Dabei empfiehlt der Berater dem Anleger, ein bestimmtes Finanzinstrument zu kaufen, zum Beispiel einen Investmentfonds, eine Aktie oder ein Zertifikat.

Dieses Produkt muss für den Anleger gemäß seiner Risikobereitschaft und Risikotragekapazität geeignet sein.

Der Finanzberater muss seine Empfehlung auf die Informationen zu den persönlichen Umständen des Kunden stützen, die dieser ihm mittgeteilt hat, ebenso wie sein Anlageziel oder seine finanziellen Verhältnisse.

Anlegern steht es frei, die Expertise des Beraters zu nutzen.

Dies kann vor allem dann sinnvoll sein, wenn sie selbst nicht über ausreichende Erfahrungen und Kenntnisse bei Finanzprodukten verfügen.

Eine Anlageempfehlung ist dann geeignet, wenn sie den Anlagezielen des Kunden entspricht, die Anlagerisiken für den Kunden seinen Anlagezielen entsprechend finanziell tragbar sind und der Kunde diese Risiken dank seiner Kenntnisse und Erfahrungen verstehen kann.

Dir als Anleger muss dabei eines klar sein: Beratung kostet Geld. Du bezahlst die Anlageberatung auch, wenn du keine Rechnung erhältst:

Als indirekte Bezahlung fungieren unter anderem Aufschläge und Provisionen, die vom Anlagebetrag abgezogen werden.

Die Bank ist verpflichtet, dir als Anleger mitzuteilen, wie hoch diese Beträge sind.

Anleger sollten in jedem Fall danach fragen und zudem Informationen darüber verlangen, wie diese Kosten ihre Rendite beeinflussen.

Sie sollten ihren Anlageberater gegebenenfalls bitten, ihnen die Rendite unter Berücksichtigung der Kosten auszurechnen.

Außerdem können sich Anleger auch von einem Honorarberater gegen Zahlung eines festen Honorars beraten lassen, der den großen Vorteil hat, im Gegensatz zu einem Banker unabhängig zu sein.

Anleger, die keine Beratung in Anspruch nehmen möchten, müssen den Anbieter selbst auswählen und darauf achten, welche Kostenstruktur und welche Risiken das gewünschte Produkt birgt.

Hierfür müssen sie sich gründlich über den Vertragspartner und die Kapitalanlage informieren.

Erste Kenntnisse und Erfahrungen in Bezug auf die gewählten Finanzinstrumente sind dabei hilfreich, um das Risiko einschätzen zu können, das mit der Investition verbunden ist.

Bei einem Online-Broker einen ETF-Sparplan abzuschließen, ist beispielsweise recht unkompliziert.

Fazit

Wenn du Geld anlegen willst, sind einige wichtige Entscheidungen zu treffen:

Unter anderem musst du dir darüber klar werden, wie viel Risiko du bereit bist einzugehen.

Außerdem musst du folgende Fragen für dich beantworten:

  • Wo lege ich mein Geld an?
  • Möchte ich mich selbst intensiv um meine Geldanlage kümmern?
  • Möchte ich mich bei der Wahl des Finanzinstruments beraten lassen? Und wenn ja, von wem?

Vielen Millennials ist die Existenz von Honorarberatern noch weitgehend unbekannt.

 

2 Gedanken zu „Wie du am besten deine Risikobereitschaft herausfindest“

  1. Hallo Jürgen,

    interessanter Artikel! Was viele Privatanleger meines Erachtens in Bezug auf Risiko häufig außer acht lassen, ist die Tatsache, dass das Portfoliorisiko nicht dem gewichteten Risiko der Einzeltitel entspricht (anders als bei Renditen). Damit kann auch ein Portfolio aus isoliert betrachtet riskanteren Anlagen bei niedriger oder negativer Korrelation für konservative oder ausgewogene Anleger geeignet sein. Wer das vergisst, lässt leider Rendite auf der Strecke. In der Beratung geht das manchmal leider nur bedingt, da einem auf dem WpHG-Bogen konservativen Anleger schwer eine Option verkauft werden kann. Leider wird auch dort auf Einzelrisiken und nicht Gesamtrisiken geschaut.

    Abgesehen davon sorgt mangelndes Wissen zu komplexeren Produkten natürlich, wie von dir oben erwähnt, dennoch zu einer Beschränkung, weil eben hier ein Verständnis auf Einzeltitelebene doch notwendig ist.

    Schuld sind meines Erachtens auch die Banken, die bei Privatanlegern keinen Portfoliogedanken forcieren, sondern einzelne Produkte vertreiben. (Meine Gedanken genau dazu habe ich hier mal formuliert:
    http://explainmefinance.de/kein-portfoliogedanke/)

    Einen erfolgreichen Tag,
    Dominic

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