Aktive Fonds haben ihre besten Zeiten hinter sich, so dass ETFs ihnen oft den Rang ablaufen. Doch gibt es auch Fälle, in denen aktive Investmentfonds durchaus Sinn machen.
In seinem heutigen Artikel liefert Gastautor Dominic Fänders – von Beruf Portfoliomanager – einige Gründe und Beispiele, wann aktive Fonds durchaus noch ihre Daseinsberechtigung haben.
Damit bereichert er das Meinungsspektrum und die Diskussion rund um das Thema:
Aktive Fonds oder ETFs?
Sind aktive Fonds wirklich Teufelszeug?
In der Finanzblogger-Szene gibt es ein gemeinsames Hassbild:
Aktiv gemanagte Fonds.
Diese seien die Reinkarnation des Bösen und zögen unwissenden Lämmern das Geld aus den Taschen.
Gängiger Tenor unter finanziell mündigen Menschen scheint mir zu sein, dass Fonds mit aktivem Management keinerlei Daseinsberechtigung hätten.
Die Kritik ist natürlich begründet.
Portfoliotheoretisch sind Indexfonds überlegen, da der Anleger im Durchschnitt die Marktrendite abzüglich Kosten erwarten kann.
Ebenso gelingt es nur einem kleinen Teil der Fondsmanager, einen Index kontinuierlich zu schlagen – alle anderen (an einer Benchmark orientierten) Fonds sind ihr Geld also nicht wirklich wert.
Dieser Gedanke gipfelt in dem bekannten Beispiel des Affen, der Wertpapiere erfolgreicher selektiert als ein Fondsmanager.
In dieser grundsätzlichen Ablehnungshaltung wird aber ausgeblendet, dass es durchaus aktive Fonds mit Daseinsberechtigung gibt.
Diese finden sich genau in den Bereichen, in denen ein ETF seine Stärken nicht ausspielen kann.
Denn ein ETF ist immer nur so gut wie der zugrundeliegende Index.
Ein Index wiederum basiert auf Automatismen.
Ergo sind ETFs in all den Märkten zu hinterfragen, in denen Automatismen nicht zum optimalen Ergebnis führen.
Da kommen mir vor allem vier Bereiche in den Sinn.
1. Ineffiziente Märkte
Manche Aktienmärkte in Schwellen- und Entwicklungsländern sind einfach noch nicht auf den Effizienzstandards der westlichen Welt.
Sie sind
- illiquide,
- haben Probleme mit der Preisbildung,
- können unter staatlichen Einflüssen stehen,
- Informationssysteme sind langsamer, etc.
In einem solchen Umfeld können automatisierte Indexkonzepte ihre Stärken nicht ausspielen.
2. Märkte, auf die es keine ETFs gibt
Die Relevanz für den durchschnittlichen Anleger mag hier gering sein, doch manche exotischen Märkte sind über ETFs nicht zugänglich.
Als konkretes Beispiel denke ich da etwa an den Iran, dessen Markt sich nach dem Ende des Embargos im letzten Jahr langsam öffnet.
Es ist schon schwer genug, aktiv gemanagte Produkte auf den Iran zu finden (es gibt sie, wenn auch nur für den professionellen Bereich), über einen ETF ist der Markt für deutsche Privatanleger schlichtweg nicht zugänglich.
Natürlich kann man sich fragen, was Lieselotte Müllers Ersparnisse im Iran zu suchen haben, doch es gibt durchaus Leute, die an Chancen nach der Marktöffnung glauben und sich dort engagieren wollen.
3. Risikomanagement ist erschwerte Handarbeit
Für Anleger, die ihr Portfolio volatilitätsorientiert steuern, erfordern ETFs einen erhöhten Handlungsbedarf.
Das können und wollen die meisten Privatanleger nicht leisten, würde es doch eine ständige Anpassung der Diversifikation anhand der aktuellen Volatilität verschiedener Assetklassen bedeuten. Grundsätzlich ist der Ansatz einer Zielvolatilität aber ein interessanter – den leider trotzdem nur wenige Privatanleger verfolgen.
Ein aktiv gemanagtes Produkt kann dem Anleger hier das Leben leichter machen, da der Fondsmanager häufig einem Volatilitätslimit oder einer maximalen Verlustgrenze („Maximum Drawdown“) unterliegt.
So kann bestenfalls vermieden werden, die gesamten Kursverluste des Marktes auch im Portfolio zu erleiden (isoliert betrachtete Stop-Loss-Limits leisten das nur bedingt).
Das ist ein Aspekt, der für konservativere Anleger durchaus eine Rolle spielt.
4. High-Yield-Anleihen
Ein gutes Beispiel ist meiner Meinung nach das Hochzinssegment.
Über ETFs sind allenfalls bestimmte Ratingsegmente und Laufzeitbänder erhältlich.
Auch insgesamt steckt der Markt für Renten-ETFs noch in den Kinderschuhen und Detailinformationen zu den Indizes in dem Bereich sind häufig nicht öffentlich oder schwer zu beschaffen.
Im Bereich von Anleihen mit schwacher Bonität ist ein Rundumschlag durch Kauf eines ETFs aber keine gute Idee.
Wer weiß da schon, wie viele potenzielle Pleitekandidaten man sich ins Portfolio holt?
Das ist ein Segment, in dem mich die Existenz eines Fondsmanagers ungemein beruhigt, da hier ein sehr genauer Blick auf die Liquiditätslage des Unternehmens erforderlich ist.
Die Grenzen zwischen beiden Lagern weichen auf
Ohnehin bewegen sich aktive Fonds und ETFs zunehmend aufeinander zu und Unterschiede vermischen teils.
Auf der einen Seite werden immer komplexere Indizes aufgelegt, die teilweise sehr vielen Regeln für Ein- und Ausschlusskriterien folgen.
Ein Beispiel ist etwa die Kombination aus hohen Dividenden, niedrigen Beta-Faktoren (also unterdurchschnittlichem Marktrisiko) und einem systematischen Short-Option-Overlay (Verkauf von Optionen sorgt für Prämieneinnnahmen) in nur einem einzigen Index.
Letztlich kann man bei Bedarf ja sämtliche automatisierbare Strategien als Index auflegen.
Denkbar ist auch ein Index, der bspw. 20 fundamentalen, wertorientierten Selektionskriterien folgt.
Das sind Kriterien, die ein Fondsmanager letztlich auch anwenden würde.
Der Unterschied zum menschlichen Value-Investor ist dann nur noch, dass letzterer auf sein Bauchgefühl hören darf und sich zu nichts gezwungen sieht, wohingegen der Index starre Entscheidungen trifft.
Auf der anderen Seite gibt es wiederum den Trend, aktive Fonds in einen ETF-Mantel zu stecken.
Macht man sich die Wortbedeutung von ETF deutlich, handelt es sich ja primär um „börsengehandelte Fonds“ und nicht zwingend auch um „Indexfonds“.
Durch den ETF-Mantel machen sich aktive Fonds einen Vorteil der Konkurrenz zunutze, denn damit sind sie nicht mehr nur auf Tagesbasis, sondern auch intraday handelbar, auf Basis eines indikativen Nettoinventarwertes.
Lästige Annahmeschlüsse für Orderaufgaben an die Fondsgesellschaft entfallen damit, der Anleger wird dadurch flexibler.
Und noch ein anderer Aspekt zum Abschluss.
Je spezieller und komplexer ein ETF gestaltet ist, desto eher nähern sich seine laufenden Kosten denen von aktiven Fonds an.
Letztlich ist dies die Strategie der Anbieter im Preiskampf.
An den Flaggschiffprodukten verdienen sie mittlerweile im Jahr keine 10 Basispunkte mehr.
In den Bereichen Smart Beta, Schwellenländer und alternative Investments sind es hingegen 80 bis 90 Basispunkte und damit deutlich näher an den Gebühren konventioneller Fonds.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Verteufelung von aktiven Fonds hinterfragt werden muss, da es Bereiche gibt, in denen sie definitiv einen Mehrwert bieten.
Für einen Anleger, der sein Geld in europäische Large Caps investieren möchte und eine „Buy and Hold-Strategie“ verfolgt, ist keiner der oben genannten Aspekte relevant.
Für alle anderen Anleger ergibt es aber Sinn, über den Tellerrand der ETF-Welt hinauszuschauen und beide Fondstypen dort einzusetzen, wo sie ihre individuellen Stärken bestmöglich ausspielen können.
Der Autor
Dominic Fänders arbeitete nach Banklehre und Wirtschaftsstudium für eine Privatbank als Portfoliomanager und verwaltete große Vermögen.
Auf seinem Blog „Der Portfoliomanager“ schreibt er über schlaue Geldanlage – mit dem Ziel, die Rendite seiner Leser vor dem Nullzins zu retten.
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