12 Kritikpunkte an ETFs und warum sie nur bedingt zutreffen

Lesedauer 6 Minuten

Kritikpunkte an ETFs: Je mehr Erfolg kostengünstige ETFs am Markt haben, desto mehr bedrohen sie teure, klassische und aktiv gemanagte Investmentfonds. Die klassische Fondsindustrie wehrt sich mit zum Teil abstrusen Argumenten gegen die Bedrohung ihrer Marktanteile durch ETFs.

Klassische Investmentfonds gibt es seit 1924. Sie haben in den letzten Jahrzehnten durch hohe Verwaltungsgebühren, Performance Fees (Erfolgsbeteiligungen) und hohe Ausgabeaufschläge der klassischen Fondsindustrie lukrative Jahrzehnte beschert. Doch diese Zeiten gehen langsam aber sicher zu Ende. Doch noch wehrt sich die Fondsindustrie verzweifelt. Mit zum Teil abstrusen Argumenten, mit denen Banker in der Filiale Kundenanfragen in Bezug auf ETFs abzuwehren versuchen.

Wie die klassische Fondsindustrie immer neue Kritikpunkte an ETFs ins Feld führt

Kritikpunkte an ETFs

Je bekannter ETFs werden, desto mehr Marktanteile erlangen sie. Je mehr Marktanteile ETFs jedoch erreichen, desto mehr Einbußen verzeichnen aktiv gemanagte Fonds.

Und umso mehr Gelder in ETFs fließen, desto kälter werden die Füße klassischer Kapitalanlagegesellschaften. Daher werden sie nicht müde, Gefahren herbeizureden, mit denen die „bösen“ ETFs sowohl Anleger als auch Finanzmärkte bedrohten.

Die Kritikpunkte an ETFs im Einzelnen

1 Der Marktanteil von ETFs ist schon gefährlich hoch

Der Marktanteil des passiven Investierens liege schon bei ca. 25 Prozent und steige immer weiter, führen Kritiker ins Feld. Doch richtig berechnet, liegt der globale Marktanteil passiven Investierens wohl eher bei rund 2 Prozent, wie Gerd Kommer in seinem neuesten Buch1 ausführt.

2 Passiv investieren funktioniert nur, wenn es nicht alle tun

Einwände gegen ETFs

Ja, die Vorteile passiven Investierens greifen nur, wenn es nicht alle tun. Das das gilt im Prinzip auch für alle anderen aktiven Anlagestrategien. Sollte der Marktanteil von ETFs irgendwann bei 90 Prozent oder mehr liegen, kann jeder Anleger für sich entscheiden, ab diesem Zeitpunkt wieder aktive Anlagestrategien für sich zu nutzen. Doch davon sind wir noch sehr weit entfernt.

3 Passive Anleger sind Trittbrettfahrer

Das trifft zwar zu, ist jedoch in keiner Weise schlimm. Denn letztlich gibt es viele Märkte, auf denen das so ist. Zum Beispiel sind die Käufer von Gebrauchtwagen Trittbrettfahrer des Neuwagenmarktes. Oder die thailändische Tourismusbranche ist ein Trittbrettfahrer des Verkehrsflugzeugmarktes.

4 Aktiv gemanagte Fonds haben im Crash Vorteile

Angeblich können aktiv gemanagte Fonds das Geld im Crash sicher parken, während ETFs ihrem Index vorbehaltlos nach unten folgen müssen.

Doch die Zahlen der letzten 50 Jahre zeigen, das Market-Timing kaum funktioniert hat; also vor dem Crash zu verkaufen und um den Tiefpunkt herum wieder rechtzeitig einzusteigen.

5 ETFs beeinträchtigt das Funktionieren der Kapitalallokationsfunktion der Finanzmärkte

Wenn zu viele Anleger passiv investieren, käme die für Finanzmärkte wichtige Kapitalallokationsfunktion zum Erliegen.

Die Bedeutung der Kapitalmarktallokationsfunktion der Finanzmärkte wird häufig überschätzt. Tatsächlich ist es die Realwirtschaft, die Unternehmen im Zuge des Kaufprozesses von Produkten Kapital zuführt und im Zuge des Nichtkaufens entzieht.

Nicht Fondsmanager, sondern Kunden haben Apple zum wertvollsten Unternehmen der Welt gemacht, und Nokia, den früheren Marktführer bei Mobiltelefonen, nahezu in die wirtschaftliche Bedeutungslosigkeit geführt.

6 ETFs erhöhen das Risiko an den Kapitalmärkten

Kritikpunkte an ETFs

Mit Zahlen lässt sich dieses Argument jedenfalls nicht belegen. In den vergangenen 10 Jahren, in denen sich das Marktanteilswachstum von Indexfonds deutlich beschleunigt hat, ist das messbare Risiko (Volatilität) an den globalen Kapitalmärkten nämlich eher gesunken und war tendenziell unterdurchschnittlich.

7 Dir größten ETF-Anbieten konzentrieren gefährlich viel Marktmacht

Die drei größten Indexfondsanbieter BlackRock, Vanguard und State Street halten bei einzelnen Unternehmen bis zu 25 Prozent der Aktienstimmrechte. Das sei gefährlich viel Marktmacht.

Tatsächlich macht es keinen Sinn, in diesem Zusammenhang Aktienstimmrechte aufzuaddieren, denn diese Unternehmen sind schärfste Konkurrenten und Wettbewerber und es macht keinen Sinn die aufsummierte Zahl als entscheidende Größe für kartellrechtliche Einwände zu betrachten.

8 Ein Zusammenbruch der größten ETF-Anbieter brächte die Finanzarchitektur in Gefahr

Das gilt wohl für Großbanken, deren Zusammenbruch tatsächlich systemrelevant wäre, nicht jedoch für Fondsgesellschaften.

Selb ein 80-prozentiger Börsencrash würde zwar das Vermögen der Anleger schmälern, nicht aber das der Kapitalanlagegesellschaften. Lediglich die Einnahmen der Fondsgesellschaft aus Aktienfonds würden schrumpfen, weniger die aus Anleihenfonds.

Fondsgesellschaften sind relativ stabile Unternehmen, die ein für sie selbst risikoarmes Geschäft betreiben: nämlich das Verwahren und Managen von Kundengeldern. Sie weisen in der Regel eine wesentlich geringere Nettoverschuldung auf als die typische Bank:

Die weltgrößte Fondsgesellschaft BlackRock hatte Ende 2018 eine bereinigte Verschuldungsquote von etwa 30 Prozent, während Banken dagegen oft bei ca. 90 Prozent liegen.

9 Es gibt ETF-Strukturen, die ein Risiko für Anleger darstellen

Argumente gegen Indexfonds gibt es manche

Mit diesem Kritikpunkt an ETFs sind synthetisch replizierende ETFs gemeint. Diese gehen ein Swap-Geschäft (Tauschgeschäft) mit einer Investmentbank ein, d. h. sie stellen der Bank einen Aktienkorb bereit und die Bank garantiert im Gegenzug den tagesaktuellen Wert des Index.

Der verliehene Aktienkorb (max. 10 Prozent des Nettoinventarvermögens des ETFs) stellt nun ein sogenanntes Kontrahentenrisiko dar. Dieses besteht darin, dass die Bank pleitegehen könnte und so ein Verlust entstünde. Doch in der Praxis werden solche Swaps besichert und das Kontrahentenrisiko ist noch niemals real eingetroffen.

Zudem ist der Marktanteil von Swap-ETFs verschwindend gering mit etwa 3 Prozent und sinkender Tendenz. ETF-Anbieter sind mehrheitlich dazu übergegangen, physisch replizierende ETFs aufzulegen, die tatsächlich die Aktien ihres Index oder zumindest einen statistisch relevanten Anteil (Sampling-Verfahren) kaufen.

10 ETFs haben die Korrelation zwischen einzelnen Aktien erhöht

ETFs sollen die Korrelation zwischen einzelnen Aktien erhöht und den Nutzen von Diversifikation gesenkt haben.

Die Wissenschaft hat sich zu diesem Argument noch keine abschließende Meinung gebildet.

Aber ein großer Teil der in den letzten 20 Jahren beobachteten Erhöhung dieser Korrelation geht wohl auf die wachsende Integration der globalen Kapitalmärkte zurück, die realwirtschaftlich betrachtet durchaus positive Seiten hat.

11 Da ETFs liquider sind als manche Wertpapiere, kann dies bei Marktkrisen gefährlich werden

Argumente gegen ETFs

Dass Fondsanteile in manchen Fällen liquider sind als die Assets, in die der betreffende Fonds investiert, ist kein ETF-spezifischer Sachverhalt. Das gilt für viele Arten von Fonds. Zum Beispiel offene und geschlossene Immobilienfonds oder Hedgefonds.

Bei ETFs trifft diese Kritik nur auf kleine ETF-Nischensegmente mit Minimalanteilen zu, wie zum Beispiel Hochzinsanleihen-ETFs. Und kaum auf ETFs, die in normale Aktien, Staats- und Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Rating investieren.

12 Wertpapierleihe kann schwierig einzuschätzende Gefahren mit sich bringen

Wertpapierleihe ist kein Spezifikum von ETFs, sondern darf ausnahmslos von allen Arten von Investmentfonds betrieben werden.

Dieses Geschäft ist gesetzlich klar reglementiert und eher risikoarm, wenn auch nicht risikolos.

Mit dem Ausleihen von Wertpapieren – zum Beispiel an Shortseller – können Fonds generell Zusatzeinnahmen erzielen. Dadurch kann die Tracking Differenz von ETFs – also die Abweichung von ihrem Index – sinken.

Fazit: Die Kritikpunkte an ETFs lassen sich leicht entkfäften

Argumente gegen Indexfonds

Wie man sieht, lassen sich die meisten Kritikpunkte an ETFs leicht entkräften bzw. relativieren und passives Investieren führt dich mit der Strategie, von vorn herein auf den Durchschnitt zu setzen, zu überdurchschnittlichen Anlageerfolg – jedenfalls nach Kosten.

Denn aktive Anlagestrategien verursachen höhere Kosten als passives Investieren – allein schon an Transaktionskosten – und auf Sicht von 5 bis 10 Jahren oder länger schlägt die große Mehrheit aktiver Fonds nicht den Markt. Das ist mittlerweile durch zahlreiche wissenschaftliche Studien belegt.

Deshalb ist passives Investieren auf Buy- and Hold-Basis die Anlagestrategie der Gewinner. Also ETF-Anteile zu erwerben und sehr, sehr lange zu halten, ohne zwischendurch zu traden.  

Die britische Wirtschaftszeitschrift The Economist bezeichnet Indexfonds und ETFs als die bedeutendste Finanzinnovation der vergangenen fünf Jahrzehnte (Heft vom 26.01.2019).

Insgesamt ist passives Investieren erstens kostengünstig und zweitens eine einfache, transparente Anlagestrategie, die von jedermann praktiziert werden kann, der mindestens 25 EUR pro Monat mittel eines ETF-Sparplans investieren kann.

1 Kommer, Gerd: Souverän investieren vor und im Ruhestand: Mit ETFs Ihren Lebensstandard und Ihre Vermögensziele sichern, Campus Verlag, Frankfurt/New York 2020.

Dieser Artikel beruht überwiegend auf Informationen aus obigem Buch von Gerd Kommer, vor allem den Seiten 254 bis 259.

Dieser Artikel

1 Gedanke zu „12 Kritikpunkte an ETFs und warum sie nur bedingt zutreffen“

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.