Verschiedene ETFs auf den selben Referenzindex erzielen oft unterschiedliche Ergebnisse. Das liegt neben unterschiedlichen Kosten auch an Zusatzerträgen, die sie erwirtschaften. Dabei spielt auch die Wertpapierleihe eine Rolle.
Viele ETFs praktizieren Wertpapierleihe.
Doch was versteht man darunter?
Wie funktioniert es?
Und warum machen ETFs das?
Hier zunächst ein Überblick über den Artikel:
[lwptoc]
Der Tracking Error gibt die Abweichung eines ETFs von seinem Referenz-Index an und beinhaltet sowohl die jährlichen Verwaltungskosten (TER) als auch u. a. die Kosten für notwendige Indexanpassungen.
Um diesen Tracking Error zu reduzieren, praktizieren viele Fondsanbieter Wertpapierleihe.
Dabei nutzen sie die mehr oder weniger nutzlos herumliegenden Wertpapiere eines ETFs, um zusätzliche Einnahmen zu erzielen.
Wie Wertpapierleihe funktioniert
Ziel der Wertpapierleihe ist die Steigerung der Performance eines ETFs.
Bei der Wertpapierleihe müssen die in einem ETF enthaltenen Wertpapiere zunächst zur Leihe freigegeben werden.
Dann sucht die Fondsgesellschaft einen Partner, der die Wertpapiere leihen möchte.
Dabei erhält sie für das Verleihen der Wertpapiere vom Leiher eine zuvor ausgehandelte Gebühr sowie Sicherheiten.
Fallen während der Wertpapierleihe Dividenden oder Zinserträge an, überweist der Entleiher diese Beträge an den jeweiligen ETF.
Wenn die vereinbarte Laufzeit zu Ende ist, erhält der Verleiher die Wertpapiere in gleicher Art und Güte zurück und zusätzlich die Leihgebühr.
Daraufhin gibt er die zuvor erhaltenen Sicherheiten zurück.
Die Entleihe von Wertpapieren birgt auch Risiken
Doch es ist wichtig zu wissen, dass die Wertpapierleihe auch Risiken birgt.
Beispielsweise könnte ein Fondsmanager eines Swap-ETFs im Wettbewerb um die niedrigsten Kosten entscheiden, das frei zu bildende Wertpapierdepot nach dem Aspekt der Maximierung des möglichen Wertpapierleiheertrages auszurichten.
Dabei erzielen volatile (schwankungsfreudige) Aktien die höchsten Leiherträge.
Die Gefahr der Wertpapierleihe besteht nun darin, dass der Entleiher der Aktien diese leer verkauft.
Beispiel:
Er leiht sich Aktien im Wert von 100.000 EUR (1000 mal 100 EUR je Aktie) und verkauft diese an der Börse (gedeckter Leerverkauf).
Dann hat er ein Kapital von 100.000 EUR.
Und er geht davon aus , dass die Aktie im Kurs fällt, z. B. auf 90 EUR je Aktie.
Tritt dies ein, kauft er die Aktien für 90.000 EUR (1000 mal 90 EUR) zurück und hat einen Gewinn von 10.000 EUR abzüglich der Transaktionskosten und der Kosten für die Wertpapierleihe.
In diesem Fall ist seine Rechnung also aufgegangen und hat sich für ihn gelohnt.
Doch es kann auch der gegenteilige Fall eintreten:
Statt des erwarteten Rückgang des Kurses steigt die Aktie auf 110 EUR.
Dann braucht er 110.000 EUR (1000 mal 110), um die Aktien zurückzukaufen.
Das kostet ihn also 10.000 EUR zuzüglich Transaktionskosten plus die Kosten der Wertpapierleihe.
Insgesamt also ein dickes Verlustgeschäft.
Dabei kann es also passieren, dass bei einem starken unerwarteten Kursanstieg erhebliche Verluste entstehen und der Kontrahent nicht mehr in der Lage ist, die Aktien zum vereinbarten Zeitpunkt wieder zu beschaffen.
Insgesamt ist es schon öfter vorgekommen, dass solch ein Wertpapierleihgeschäft geplatzt ist.
ETF-Anbieter verlangen deshalb Sicherheiten
Damit birgt auch die Wertpapierleihe ein Kontrahentenrisiko:
Es kann vorkommen, dass sich der Markt entgegengesetzt den vorherigen Annahmen bewegt und die Gegenpartei – der Kontrahent – dadurch in eine finanzielle Schieflage gerät.
Daduch bedingt kann er womöglich die entliehenen Wertpapiere, die er zuvor leer verkauft hat, nicht wieder zurückkaufen.
So kann es passieren, dass dem ETF-Anbieter durch Wertpapierleihe ein finanzieller Schaden entsteht.
Um dieses Risiko zu mindern, verlangen ETF-Anbieter häufig eine Sicherheit von den Entleihern.
Oder sie begrenzen die Wertpapierleihe auf 20 Prozent des Fondsvermögens des ETFs je Entleiher.
Das ist in Europa die zulässige Obergrenze für Wertpapierleihe.
Unter anderem durch die Generierung von Zusatzerträgen durch Aktienleihe kann also der Tracking Error eines ETFs reduziert werden.
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Wertpapierleihe erzeugt Zusatzerträge
ETF-Anbieter praktizieren in unterschiedlichem Ausmaß Wertpapierleihe und erzielen unterschiedliche Zusatzerträge.
Dabei hängt die Höhe der Zusatzerträge vom Geschick des jeweiligen Fondsmanagers ab.
Deshalb kann es vorkommen, dass Exchange Traded Funds mit der gleichen Replikationsmethode (der Art und Weise, wie sie einen Index nachbilden) auf den selben Index eine unterschiedliche Performance erzielen.
Aber externe Faktoren können solche Zusatzerträge beeinflussen:
Beispielsweise wurden in der Finanzkrise im Jahre 2008 temporär Leerverkäufe verboten, wodurch die Nachfrage nach Wertpapierleihe sank.
Generell bewirken Zusatzerträge eine geringere Abweichung des ETFs vom zugrunde liegenden Referenzindex.
Wem die Zusatzerträge zugute kommen
Wenn ein ETF Zusatzerträge erzielt, stellt sich natürlich auch die Frage, wem sie zugute kommen?
Der Normalfall wäre, dass die Erträge durch Wertpapierleihe den Inhabern des jeweiligen ETF-Portfolios voll und ganz gutgeschrieben werden, also dem ETF-Investor.
Schließlich tragen sie das volle Risiko (Kontrahentenrisiko).
Doch das ist bei Weitem nicht immer der Fall.
Oft ist es so, dass die Besitzer der ETF-Anteile die Hälfte der Zusatzerträge erhalten und die andere Hälfte die Fondsgesellschaft.
Nähere Informationen gibt es auf der Website des ETF-Anbieters und / oder im Fondsprospekt.
Und die jeweilige Höhe der Erträge durch Wertpapierleihe ist im Geschäfts- bzw. Jahresbericht eines Fonds ausgewiesen.
Bei
- UBS fließen 60 Prozent zurück in den ETF,
- bei Blackrock (iShares) sind es 62,5,
- bei Lyxor 65,
- bei SPDR 70 und
- bei Vanguard sogar 100 Prozent
der Erträge aus Wertpapierleihe, die in die jeweiligen ETFs zurückfließen.
Fazit
Ziel des Verleihens von Wertpapieren ist es, Zusatzerträge zu erzielen, die den Tracking Error eines ETFs verringern.
Eine geringere Abweichung vom Referenzindex ist unter anderem ein starkes Verkaufsargument für einen ETF.
Doch die Wertpapierleihe birgt auch Risiken, in deren Folge schon so manches Leihgeschäft geplatzt ist.
Dabei handelt es sich auch hier um ein sogenanntes Kontrahentenrisiko.
Dieses gibt es also nicht nur bei Swap-ETFS, sondern auch bei voll (physisch) replizierenden Indexfonds.
Deshalb müssen die Entleiher der Wertpapiere eines ETFs einerseits häufig Sicherheiten stellen.
Zum anderen wird die Leihe auf maximal 20 Prozent des Fondsvermögens pro Entleiher begrenzt.
Insgesamt nutzen die meisten ETFs Wertpapierleihe, um Zusatzerträge zu generieren.
Aber nicht nur ETFs praktizieren dies, sondern auch klassische (aktive) Investmentfonds.
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Danke für den aufschlussreichen Artikel – Solche tiefen Hintergründe zu ETFs könntent Sie gerne häufiger machen, sehr interessant.
Ist die Wertpapierleihe auch der Hauptgrund, weshalb es keiensfalls selbstverständlich ist, dass ein Aktien-ETF die Mindestaktienquotevon 51% für Kapitalertragssteuervorteile einhält, oder welche Gründe gibt es hierfür?
Hallo Alex,
besten Dank für deinen Kommentar, aber deine Frage kann ich dir leider nicht beantworten.
Viele Grüße
Jürgen