Aktive Anlagestrategien als Fehler bei der Geldanlage

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Es gibt zahlreiche Börsenanlagestrategien, die von Privatanlegern und Profis angewendet werden. Doch wie gut funktionieren aktive Anlagestrategien? Sind sie erfolgreicher als eine langfristige Buy-and-Hold-Strategie?

Aktive Anlagestrategien sind ein hochprofitables Geschäft für Banken und Finanzberater. Es gibt sie unter anderem in Form von

  • aktiven Investmentfonds,
  • Hedge-Fonds (geringer regulierte Investmentfonds, die aktiv verwaltet werden und auch Derivate und Leerverkäufe einsetzen),
  • Private Equity-Fonds (außerbörsliches Eigenkapital) und
  • mannigfaltigen Zertifikaten („strukturierte“ Produkte).

Das Problem bei diesen Strategien und Produkten besteht darin, dass es keine gesicherten Belege für ihr Funktionieren gibt.

Diese Einschätzung soll anahand von drei Fragen bzw. Schritten belegt werden.

1. Definition: Was sind funktionierende aktive Anlagestrategien

Eine funktionierende Anlagestrategie ist eine Strategie, die nach Berücksichtigung von Risiko, Kosten und Steuern eine einfache Buy-and-Hold-Strategie (Wertpapiere kaufen und sehr lange halten) ausreichend outperformed.

Dabei bedeutet ausreichend um so viel und lange, dass Zufall als Ursache der Outperformance ausgeschlossen werden kann.

Damit ist eine funktionierende aktive Anlagestrategie eine Strategie, die dauerhaft, nennenswert und in dokumentierter Form über der durchschnittlichen Performance ihrer Anlageklasse liegt.

2. Qualität der Medienberichterstattung über aktive Anlagestrategien

Zwar finden sich für jede weiter unten vorgestellte aktive Anlagestrategien  – vor allem Stock Picking und Market Timing – entsprechende Erfolgsberichte, doch müssen diese einer genauere Prüfung im Hinblick auf folgende Fragen genügen:

  • Ist der Betrachtungszeitraum lang genug (mindestens zehn Jahre)?
  • Sind alle Kosten und Steuern, die die Anwendung der Strategie verursacht, ausreichend berücksichtigt?
  • Wurde die Performance-Messung mit einem tatsächlich geeigneten Index vorgenommen und sichergestellt, dass nicht Äpfel mit Birnen verglichen wurden?
  • Gibt es wissenschaftlich fundierte Begründungen für die jeweiligen Anlagestrategien?

Die meisten Medien- bzw. Erfolgsberichte scheitern bereits an diesem Fragenkatalog und stellen einen Erfolg dar, der letztlich unbewiesen ist.

3. Die bekanntesten aktiven Anlagestrategien und ihre Konstruktionsmängel

Es gibt vor allem zwei Gruppen aktiver Anlagestrategien und fast alle Strategien lassen sich einem dieser beiden Ansätze zuordnen oder stellen eine Mischung aus ihnen dar:

  • Stock Picking und
  • Market Timing.

Stock Picking auf Basis einer Fundamentalanalyse

Beim Stock Picking geht es darum, unterbewertete Aktien zu entdecken.

Deshalb basiert Stock Picking auf einer fundamentalen Aktienanalyse, bei denen betriebs- oder finanzwirtschaftliche Kennzahlen analysiert werden.

Dazu gehören unter anderem

  • das Kurs-Gewinn-Verhältnis,
  • das Kurs-Buchwert-Verhältnis,
  • das Kurs-Umsatz-Verhältnis,
  • die Dividendenrendite,
  • die Eigenkapitalrendite sowie
  • die Gewinnänderung pro Aktie.

Nun gibt es viele Gründe, warum Stock Picking nicht funktionieren kann. Zum einen haben diese Gründe mit der Informationseffizienz der Märkte zu tun.

Zum anderen sind die Voraussetzungen für Stock Picking in der Realität nicht gegeben.

Welche Voraussetzungen sind das?

Stock Picking bedeutet, einzelne Aktien auszuwählen. Ziel ist dabei, Aktien oder andere Wertpapiere zu finden, die unterbewertet sind.

Diese Unterbewertung muss der Markt dann erkennen und den Börsenkurs auf den wahren Wert nach oben korrigieren.

Anschließend verkauft der Stock Picker das Wertpapier wieder, um mit dem Erlös ein anderes unterbewertetes Papier zu erwerben.

Diese Theorie setzt also voaraus, dass

  • der Stock Picker im Beispiel der Einzige  oder einer von wenigen ist, die die Unterbewertung erkennen und rechtzeitig kaufen,
  • nach dem Kauf der restliche Markt die Unterbewertung erkennt, auch kauft und den Preis so in die Höhe treibt,
  • der Stock Picker wieder als Erster oder einer der Ersten erkennt, dass der wahre Preis des Wertpapiers erreicht ist und das Papier wieder verkauft.

Wer über Börsenerfahrung verfügt, muss sich wundern, wie eine Anlagestrategie auf solch unrealistischen Annahmen aufbauen kann.

Market Timing

Unter Market Timing versteht man die kurzfristige Veränderung der Gewichtungen einzelner Anlageklassen in einem Portfolio mit dem Ziel, von zyklischen Marktveränderungen zu profitieren.

Dabei werden diese Marktveränderungen oft mit makroökonomischen oder branchenbezogenen Kriterien und Kennzahlen gemessen.

Obwohl auf den ersten Blick einleuchtend und plausibel, wurden trotzdem für keine andere aktive Anlagestrategie ähnlich blamable Ergebnisse nachgewiesen.

Der britische Economist stellte dazu fest:

„Mit Market Timing beschäftigt sich kein ernst zu nehmender Fondsmanager.“

Doch trotz einer miserablen Erfolgsbilanz scheint Market Timing für viele Privatanleger eine interessante Anlagestrategie zu sein.

Was ist hierfür wohl die Ursache?

Möglicherweise haben diese Anleger bereits beim Stock Picking schmerzlich weil verlustreich gelernt, dass die die Auswahl unterbewerteter Aktien nicht zuverlässig funktioniert.

Daraus folgern sie, dass das, was bei einzelnen Wertpapieren nicht funktioniert, jedoch bezogen auf breite Marktsegmente wie Branchen oder Länder funktionieren müsse.

Schließlich sei es offensichtlich, dass es einerseits im Niedergang befindliche Branchen gebe und andererseits aufstrebende Zukunftsbranchen.

Diese Überlegungen mögen richtig sein.

Sie sind aber für Anlageentscheidungen nutzlos, weil die positiven und negativen Perspektiven einer Branche, eines Landes oder einer Anlageklasse gemäß der Markteffizienzhypothese bereits in das jeweilige Kursniveau eingepreist sind.

Fazit

Etwas vereinfacht zusammengefasst ist Stock Picking ein „Rein-Raus“ in Bezug auf einzelne Wertpapiere. Und Market Timing ist ein „Rein-Raus“ in Bezug auf ganze Märkte bzw. Anlageklassen.

Doch zum einen gibt es für die Wirksamkeit dieser Strategien praktisch keine endgültigen, wissenschaftlich unstrittigen Beweise.

Und zum anderen sind sie für normale Privatanleger schon allein deswegen ungeeignet, weil sie einen Analyse- und Arbeitsaufwand erfordern, den niemand in seiner Freizeit über einen langen Zeitraum hinweg leisten kann.

Trotzdem werden diese Strategien schätzungsweise von 95 Prozent aller Privatanleger und 85 Prozent aller Profianleger angewendet.

Die einzige Anlagestrategie, die für Privatanleger zuverlässig funktioniert, ist eine langfristig orientierte Buy-and-Hold-Strategie auf der Basis passiven Investierens.

So ist es kein Wunder, dass der erfolgreichste lebende Finanzinvestor, Warren Buffet, ein radikaler Buy-and-Hold-Investor ist.

Dabei liegt die durchschnittliche Haltedauer der in seiner Investment-Holding Berkshire Hathaway gehaltenen Aktien und Beteiligungen bei rund 20 Jahren.

(Quelle: Kommer, Gerd: Souverän Investieren mit Indexfonds & ETFs, 4., aktualisierte Auflage, Campus Verlag, Frankfurt/New York 2015, S. 121-135.)

Letzte Woche wurde als erster Teil dieser Serie die Neigung, das eigene Land bei der Geldanlage überzugewichten (Home Bias) als Fehler bei der Geldanlage geoutet, nächste Woche wird die Orientierung an Fonds-Ratings als weiterer Fehler bei der Geldanlage folgen.

 

2 Gedanken zu „Aktive Anlagestrategien als Fehler bei der Geldanlage“

  1. Hallo Herr Nawatzki,

    Ich bin der gleichen Meinung wie Sie, dass Erfolg an der Börse nur mit einer langfristigen Strategie funktioniert. Buy and Hold ist mit Sicherheit die beste. Ich halte es so, dass ich einzelnen Aktien mit verschiedenen ETF´s mische. Aber das liegt mit Sicherheit auch an meinem persönlichen Interesse an Aktien, was viele andere nicht haben. Diese würden mit ETFs wesentlich besser bedient sein.

    Viele Grüße Klaus-Dieter

    Antworten
    • Hallo Klaus-Dieter,

      wenn Sie Spaß daran haben, sich mit der Auswahl einzelner Aktien zu befassen und diese stets im Auge zu behalten, dann ist das auch ein Weg der Geldanlage. Ich habe keine Lust dazu und es ist mir auch zu gefährlich (siehe VW-Aktie), deshalb setzte ich lieber ausschließlich auf ETFs. Aber wie heiß es so schön schon in der Bibel: „Die Wege des Herrn sind unergründlich und vielfältig.“

      Herzliche Grüße

      Jürgen

      Antworten

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