Gegenparteirisiko bei ETFs: Was Anleger darüber wissen müssen

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Gegenparteirisiko: ETFs erfreuen sich aufgrund der Möglichkeit einer breiten Streuung und transparenten Anlagestrategien großer Beliebtheit. Während die Vorteile oft hervorgehoben werden, rücken die Risiken vielerorts eher in den Hintergrund. Daher ist auch das Gegenparteirisiko vielen Anlegern nicht bekannt.

Was es mit diesem auf sich hat und warum es bei der Auswahl von börsengehandelten Indexfonds bzw. ETFs berücksichtigt werden sollte, stellt dieser Artikel überblicksmäßig dar.

Was ist das Gegenparteirisiko bei ETFs?

Das Gegenparteirisiko bei ETFs (Exchange-Traded Funds) bezieht sich auf das Risiko, das Anleger eingehen, wenn sie in ETFs investieren, die derivative Finanzinstrumente wie Swaps oder Optionen verwenden, um die Performance eines zugrunde liegenden Index nachzubilden. Diese ETFs werden als synthetische ETFs bezeichnet, da sie nicht tatsächlich die physischen Vermögenswerte des Index halten, sondern stattdessen Finanzderivate verwenden, um die Rendite des Index nachzuahmen.

Das Gegenparteirisiko entsteht, wenn die Partei (oft eine Bank oder ein Finanzinstitut), die die Derivate für den ETF bereitstellt, ausfallen oder ihre Verpflichtungen nicht erfüllen kann. Dies kann passieren, wenn die Gegenpartei zahlungsunfähig wird oder aus anderen Gründen Schwierigkeiten hat, die erforderlichen Zahlungen zu leisten. In einem solchen Fall könnte der ETF und somit die Anleger Verluste erleiden.

Um das Gegenparteirisiko zu minimieren, setzen viele ETFs, insbesondere physisch replizierende ETFs, auf eine Sicherheitsstruktur, bei der die zugrunde liegenden Vermögenswerte tatsächlich gehalten werden, anstatt auf Derivate zu vertrauen. Dies reduziert das Risiko eines Ausfalls der Gegenpartei erheblich. Anleger sollten sich jedoch immer bewusst sein, ob ein ETF synthetisch oder physisch replizierend ist, und die entsprechenden Risiken berücksichtigen, bevor sie investieren.

Zahlungsausfälle bei Termingeschäften und Swaps möglich

Da sich ETFs an der Wertentwicklung eines Börsenindizes orientieren, gilt es, die Rendite zu imitieren – zumindest bei synthetischen ETFs. Diese halten nicht unbedingt die Wertpapiere des Index, sondern können auch andere Wertpapiere halten, die sie in einem Tauschgeschäft (SWAP) – zum Beispiel mit einer Investmentbank – gegen die tagesaktuelle Rendite des Index eintauschen. Hier lauert das Gegenparteirisiko, denn der jeweilige Finanzpartner kann insolvent werden.

Du kannst also dein eingesetztes Geld – zumindest zum Teil – auf diese Weise verlieren. Eine solche Praxis ist insbesondere bei synthetischen ETFs üblich. Auch wenn sich das Risiko eines Verlustes durch die Zahlungsunfähigkeit der Gegenpartei nicht vollständig radieren lässt, so kannst du Maßnahmen ergreifen, um dich vor derartigen Risiken zu schützen. Das Zauberwort hierbei lautet Risikomanagement.

Beispiel für ein eingetretenes Gegenparteirisiko

Das Gegenparteirisiko spielte eine entscheidende Rolle im Zusammenbruch von Lehman Brothers im Jahr 2008. Lehman Brothers war eine große Investmentbank, die stark in komplexen Finanzprodukten und Derivaten engagiert war. Als die Finanzkrise 2008 ihren Höhepunkt erreichte, führte das Gegenparteirisiko zu erheblichen Problemen für die Bank und trug letztendlich zu ihrem Zusammenbruch bei. Hier ist eine Zusammenfassung, wie das Gegenparteirisiko bei Lehman Brothers zum Tragen kam:

  1. Derivate-Engagement: Lehman Brothers hatte sich stark in Derivate wie Kreditderivate, strukturierte Finanzprodukte und Collateralized Debt Obligations (CDOs) engagiert. Diese Derivate wurden in großem Umfang gehandelt und waren mit anderen Finanzinstituten als Gegenparteien verbunden.
  2. Gegenparteirisiko: Das Gegenparteirisiko trat auf, wenn Lehman Brothers Verträge über Derivate mit anderen Banken und institutionellen Anlegern abschloss. Lehman war sowohl Schuldner als auch Gläubiger in diesen Geschäften. Wenn eine der Gegenparteien ausfallen würde, könnte dies erhebliche Auswirkungen auf Lehman Brothers haben.
  3. Vertrauensverlust: Als die Subprime-Krise und die Immobilienblase platzten, wurden die Vermögenswerte von Lehman Brothers, die mit diesen Derivaten verbunden waren, drastisch abgewertet. Das führte zu einem Vertrauensverlust der Gegenparteien und anderer Marktteilnehmer in die Fähigkeit von Lehman Brothers, ihre Verpflichtungen zu erfüllen.
  4. Herabstufung und Liquiditätsprobleme: Aufgrund der massiven Abschreibungen und des Vertrauensverlusts wurden die Kreditwürdigkeit von Lehman Brothers herabgestuft und Liquiditätsprobleme traten auf. Andere Banken waren zunehmend zögerlich, Geschäfte mit Lehman Brothers abzuschließen oder ihnen Geld zu leihen.
  5. Zusammenbruch: Schließlich war Lehman Brothers nicht in der Lage, genügend Liquidität zu beschaffen, um ihre kurzfristigen Verbindlichkeiten zu bedienen. Am 15. September 2008 meldete das Unternehmen Insolvenz an und beantragte Gläubigerschutz (Chapter 11) nach US-Insolvenzrecht.

Der Zusammenbruch von Lehman Brothers hatte weitreichende Auswirkungen auf die weltweiten Finanzmärkte und wurde als ein Schlüsselereignis der globalen Finanzkrise von 2008 angesehen. Das Gegenparteirisiko, das aus ihren Derivatepositionen resultierte, trug maßgeblich zu dieser Krise bei und verdeutlichte die Risiken, die mit hochkomplexen Finanzprodukten und unzureichender Risikobewertung verbunden sind.

Risikomanagement bereits bei Auswahl von ETFs berücksichtigen

Das Gegenparteirisiko bei ETFs (Exchange-Traded Funds) wird in der Regel durch verschiedene Maßnahmen abgesichert, um die Risiken für die Anleger zu minimieren. Hier sind einige der gängigen Methoden, mit denen das Gegenparteirisiko bei ETFs reduziert wird:

  1. Physische Replikation: Ein Großteil der ETFs verwendet die physische Replikationsmethode, bei der der ETF tatsächlich die physischen Vermögenswerte des zugrunde liegenden Index hält. Wenn beispielsweise ein ETF den S&P 500 Index nachbildet, werden die tatsächlichen Aktien, die im S&P 500 enthalten sind, im Portfolio des ETFs gehalten. Dies minimiert das Gegenparteirisiko, da keine Derivate oder Gegenparteien im Spiel sind.
  2. Sicherheitsstrukturen: Selbst synthetische ETFs, die Derivate verwenden, um die Indexperformance nachzubilden, können Sicherheitsstrukturen einsetzen, um das Gegenparteirisiko zu minimieren. Dies kann beinhalten, dass der ETF Vermögenswerte oder Sicherheiten von der Gegenpartei verlangt, um Verluste auszugleichen. Diese Sicherheiten können als Schutz dienen, falls die Gegenpartei ihre Verpflichtungen nicht erfüllen kann.
  3. Auswahl vertrauenswürdiger Gegenparteien: ETF-Anbieter wählen in der Regel etablierte und gut kapitalisierte Finanzinstitute als Gegenparteien aus, um das Gegenparteirisiko zu reduzieren. Eine sorgfältige Auswahl der Gegenparteien und die Überwachung ihrer finanziellen Stabilität sind wichtige Maßnahmen, um das Risiko zu minimieren.
  4. Transparenz und Offenlegung: ETF-Anbieter sind in der Regel verpflichtet, Informationen über ihre Portfolios und die zugrunde liegenden Derivate offenzulegen. Dies ermöglicht es Anlegern, die Risiken besser zu verstehen und die Qualität des Risikomanagements zu beurteilen.
  5. Regulatorische Aufsicht: ETFs unterliegen in vielen Ländern der Aufsicht durch Finanzaufsichtsbehörden. Regulierungsbehörden setzen Vorschriften und Anforderungen fest, um sicherzustellen, dass ETFs angemessene Maßnahmen zur Absicherung des Gegenparteirisikos treffen.

Es ist wichtig zu beachten, dass nicht alle ETFs gleich sind, und die Methoden zur Absicherung des Gegenparteirisikos können von ETF zu ETF variieren. Anleger sollten sich daher immer über die spezifischen Risiken und Schutzmaßnahmen eines ETFs informieren, bevor sie investieren. Darüber hinaus ist die Auswahl eines ETFs, der physische Replikation verwendet oder eine robuste Sicherheitsstruktur aufweist, eine gängige Strategie, um das Gegenparteirisiko zu minimieren.

Fazit: Das Gegenparteirisiko lässt sich handeln

Vor dem Gegenparteirisiko ist kaum ein Anleger gefeit. Denn die meisten Fonds und ETFs betreiben Wertpapierleihe. Synthetische ETFs setzen – wie oben gesehen – zusätzlich Derivate wie SWAPS ein. Doch sind hier gesetzlich Absicherungsstrategien wie die Begrenzung des Swaps und die Hinterlegung von Sicherheiten vorgeschrieben. Diese reduzieren das Risiko erheblich, so dass du beruhigt auch in synthetische ETFs investieren kannst..

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