Kontrahentenrisiko bei ETFs: die dunkle Seite der Indexfonds

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Auch ETFs bergen Risiken. Eines ist das Kontrahentenrisiko oder Gegenparteirisko. Es kommt vor allem bei synthetischen ETFs vor.

Exchange Traded Funds (ETFs) haben sich als beliebte Anlageoption etabliert, die eine breite Diversifikation und eine einfache Handhabung bietet. Wie bei jeder Anlageklasse ist es jedoch unerlässlich, die verschiedenen Risikofaktoren zu verstehen, die die Performance beeinflussen können. Ein solches Risiko, das Kontrahentenrisiko bzw. Gegenparteirisko, tritt auf, wenn eine der Parteien in einer Finanztransaktion ihren Verpflichtungen nicht nachkommt. Bei ETFs ist dieses Risiko insbesondere bei synthetischen ETFs relevant.

Hintergrund des Kontrahentenrisikos

Kontrahentenrisiko ist in der Finanzwelt kein neues Phänomen. Es tritt auf, wenn eine Partei in einer Transaktion ihre Verpflichtungen nicht erfüllen kann, was zu finanziellen Verlusten für die andere Partei führen kann. Historische Ereignisse, wie die Finanzkrise 2008, haben die Bedeutung des Verstehens und Managements von Kontrahentenrisiken hervorgehoben.

Kontrahentenrisiko bei synthetischen und physischen ETFs

ETFs können grob in zwei Kategorien eingeteilt werden: synthetische und physische ETFs. Während physische ETFs tatsächliche Vermögenswerte halten, verwenden synthetische ETFs Derivate, um die Performance eines Indexes nachzubilden. Das Kontrahentenrisiko ist bei synthetischen ETFs höher, da sie auf die Erfüllung der Verpflichtungen durch die Gegenparteien der Derivate angewiesen sind.

Synthetische und physische ETFs repräsentieren zwei unterschiedliche Ansätze zur Nachbildung der Performance eines zugrunde liegenden Indexes und haben unterschiedliche Profile in Bezug auf das Kontrahentenrisiko.

Bei physischen ETFs wird das Kontrahentenrisiko als relativ niedrig angesehen, da diese Fonds die tatsächlichen Vermögenswerte des zugrunde liegenden Indexes halten. Die Hauptbedenken könnten sich aus den Praktiken der Wertpapierleihe ergeben, falls der Fonds diese Tätigkeit ausübt, um zusätzliche Erträge zu generieren. Wenn ein physischer ETF Wertpapiere verleiht, besteht das Risiko, dass der Entleiher die Wertpapiere nicht zurückgibt, was zu einem Kontrahentenrisiko führt.

Im Gegensatz dazu sind synthetische ETFs anfälliger für Kontrahentenrisiken, da sie ihre Exposition gegenüber dem zugrunde liegenden Index durch Derivate, meist Swaps, erlangen. In einem solchen Szenario ist der ETF von der Fähigkeit des Kontrahenten, in diesem Fall des Swap-Anbieters, abhängig, seine vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen. Wenn der Kontrahent ausfällt oder in finanzielle Schwierigkeiten gerät, kann dies zu erheblichen Verlusten für den ETF führen. Daher ist das Management bzw. die Absicherung des Kontrahentenrisikos bei synthetischen ETFs von größerer Bedeutung. Die Risikominderung kann durch Diversifikation der Kontrahenten, Hinterlegung von Sicherheiten und tägliche Überwachung und Neubewertung des Kontrahentenrisikos erreicht werden.

Die unterschiedlichen Strukturen und Kontrahentenrisikoprofile von physischen und synthetischen ETFs unterstreichen die Bedeutung einer sorgfältigen Prüfung durch Investoren vor der Auswahl des für ihre Anlageziele geeigneten ETF-Typs.

Management des Kontrahentenrisikos bei ETFs

Es gibt verschiedene Strategien zur Minimierung des Kontrahentenrisikos bei ETF-Investitionen. Dazu gehören die Diversifikation der Kontrahenten und die Verwendung von Sicherheiten. Regulierungsbehörden haben auch Rahmenbedingungen geschaffen, um das Kontrahentenrisiko zu begrenzen und die Transparenz für Investoren zu erhöhen.

Risikobewertung und -transparenz

Die Fähigkeit, das Kontrahentenrisiko effektiv zu bewerten und transparente Informationen zu erhalten, ist wichtig für die Entscheidung der Investoren. Verschiedene Tools und Ressourcen sind verfügbar, um Investoren bei der Bewertung und dem Verständnis dieses Risikos zu unterstützen.

Fallbeispiele: Kontrahentenrisiko in der Praxis

Fallbeispiele bieten einen einzigartigen Einblick in die konkreten Auswirkungen des Kontrahentenrisikos im ETF-Sektor. Ein prominentes Beispiel ist die Finanzkrise von 2008, die das Potenzial offenbarte, wie Kontrahentenrisiken in Extremsituationen eskalieren können. Einige synthetische ETFs, die durch Swap-Vereinbarungen mit Finanzinstituten abgesichert waren, erlebten erhebliche Verluste, als diese Institute in finanzielle Schwierigkeiten gerieten.

Ein spezifischer Fall ist der von Lehman Brothers, einer der Kontrahenten für einige synthetische ETFs. Mit dem Zusammenbruch von Lehman Brothers wurden die mit ihnen verbundenen ETFs mit erheblichen Verlusten konfrontiert, da die Swap-Vereinbarungen plötzlich wertlos wurden. Investoren, die diese ETFs hielten, erlebten unerwartete Verluste, die die Bedeutung des Managements und des Verständnisses des Kontrahentenrisikos unterstreichen.

Ein weiterer Fall betrifft den Flash Crash im Mai 2010, bei dem der Markt innerhalb weniger Minuten stark einbrach und sich dann schnell erholte. Während dieses Ereignisses erlebten einige ETFs Preisabweichungen, die weit über die der zugrunde liegenden Vermögenswerte hinausgingen, was auf Liquiditätsprobleme und das Ausmaß des Kontrahentenrisikos in stressigen Marktbedingungen hinwies.

Diese Beispiele verdeutlichen, wie das Kontrahentenrisiko in der Praxis auftreten kann und betonen die Notwendigkeit für Investoren, dieses Risiko zu verstehen und Strategien zur Minderung zu implementieren.

Wie das Gegenparteirisko in der Praxis abgesichert wird

Das Management des Kontrahentenrisikos ist entscheidend für den Schutz von Investitionen in ETFs, insbesondere in synthetischen ETFs, bei denen dieses Risiko tendenziell höher ist. Hier sind einige gängige Praktiken und Strategien, die in der Branche angewendet werden, um das Kontrahentenrisiko zu minimieren:

Sicherheiten-Hinterlegung:

    • Um das Kontrahentenrisiko zu mindern, können ETF-Anbieter von den Kontrahenten verlangen, Sicherheiten zu hinterlegen. Diese Sicherheiten dienen als eine Art Versicherung für den Fall, dass der Kontrahent seinen Verpflichtungen nicht nachkommt.

    Diversifikation der Kontrahenten:

      • Eine Diversifikation der Kontrahenten kann das Risiko verringern, da nicht alle Verpflichtungen bei einem einzigen Kontrahenten liegen. Durch die Aufteilung der Exposures auf mehrere Kontrahenten wird das Risiko gestreut.

      Qualitätsbewertung der Kontrahenten:

        • ETF-Anbieter können die Kreditwürdigkeit und Stabilität der Kontrahenten bewerten, um sicherzustellen, dass sie mit vertrauenswürdigen und finanziell soliden Parteien Geschäfte machen.

        Regulierungsrahmen:

          • Aufsichtsbehörden haben bestimmte Vorschriften und Standards eingeführt, um das Kontrahentenrisiko zu begrenzen. Dazu gehören Vorschriften zur Begrenzung des Engagements eines einzelnen Kontrahenten und zur Hinterlegung von Sicherheiten.

          Tägliche Überwachung und Neubewertung:

            • Die tägliche Überwachung und Neubewertung der Kontrahenten-Exposures und der Wert der hinterlegten Sicherheiten können helfen, das Risiko im Auge zu behalten und rechtzeitig Anpassungen vorzunehmen.

            Transparenz und Offenlegung:

              • Eine klare Offenlegung des Kontrahentenrisikos und regelmäßige Berichterstattung können Investoren helfen, informierte Entscheidungen zu treffen und das Risiko besser zu verstehen.

              Verwendung von zentralen Gegenparteien (CCPs):

                • Durch die Verwendung von zentralen Gegenparteien, die als Vermittler zwischen den Parteien einer Transaktion fungieren, kann das Kontrahentenrisiko weiter reduziert werden.

                Vertragsbedingungen:

                  • Klare Vertragsbedingungen, die die Rechte und Pflichten der Parteien definieren, können ebenfalls dazu beitragen, das Kontrahentenrisiko zu begrenzen.

                  Diese Strategien und Maßnahmen können zusammen oder einzeln angewendet werden, um das Kontrahentenrisiko effektiv zu managen und die Investitionen der ETF-Anleger zu schützen.

                  Zusammenfassung und Ausblick zum Thema Kontrahentenrisiko

                  Das Verständnis des Kontrahentenrisikos ist unerlässlich für jeden Investor, der in ETFs investieren möchte. Während Regulierungsbehörden Maßnahmen ergriffen haben, um das Kontrahentenrisiko zu minimieren, ist es wichtig, dass Investoren informiert bleiben und die notwendigen Schritte unternehmen, um ihre Investitionen zu schützen.

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